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Aktuelle Entscheidungen/Urteile

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Mindestlohn und Praktikum

Grundsatz: Praktikanten haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn sie das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten und es eine Dauer von drei Monaten nicht übersteigt.

Der Fall:

Die Klägerin vereinbarte mit der Beklagten, die eine Reitanlage betreibt, ein dreimonatiges Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung zur Pferdewirtin. Das Praktikum begann am 06. Oktober 2015. In der Zeit vom 03. bis 06. November 2015 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem 20. Dezember 2015 trat sie in Absprache mit der Beklagten über die Weihnachtsfeiertage einen Familienurlaub an.  Während dieses Urlaubs verständigten sich die Parteien darauf, dass die Klägerin erst am 12. Januar 2016 in das Praktikum bei der Beklagten zurückkehren wird, um in der Zwischenzeit auf anderen Pferdehöfen „Schnuppertage“ verbringen zu können. Das Praktikum bei der Beklagten endete am 25. Januar 2016. Eine Vergütung für das Praktikum wurde nicht gezahlt.

Die Klägerin verlangt nun von der Beklagten für die Zeit ihres Praktikums eine Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes in einer Gesamthöhe von 5.491,00 € brutto. Dabei hat sie vorgetragen, die gesetzlich festgelegte Höchstdauer eines Orientierungspraktikums von drei Monaten sei überschritten. Daher sei ihre Tätigkeit mit dem Mindestlohn von (damals) 8,50 € pro Stunde zu vergüten.

Die Instanzengerichte haben unterschiedlich entschieden. Das Bundesarbeitsgericht hat die Klage im Endeffekt abgewiesen. Dabei ging es davon aus, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht bestehe, da das Praktikum als ein solches zur Orientierung für eine Berufsausbildung die Höchstdauer von drei Monaten nicht überschritten habe.

Unterbrechungen innerhalb dieses Praktikums seien möglich, wenn der Praktikant/die Praktikantin hierfür persönliche Gründe habe und die einzelnen Abschnitte sachlich und zeitlich zusammenhängen. Die Voraussetzungen seien hier gegeben.

Das Praktikum wurde wegen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sowie auf eigenen Wunsch der Klägerin für nur wenige Tage unterbrochen und im Anschluss an die Unterbrechung jeweils unverändert fortgesetzt.

Der von der Klägerin daneben geltend gemachte Anspruch auf eine angemessene Vergütung nach dem Berufsausbildungsgesetz hatte aus prozessualen Gründen keinen Erfolg. Eine materielle Entscheidung hierzu erging nicht.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 5/19 des Bundearbeitsgerichts, Urteil vom 30. Januar 2019, 5 AZR 556/17




Was passiert mit dem Urlaub wenn der Arbeitnehmer stirbt?

Der Fall:

Die Klägerin war Alleinerbin ihres am 20. Dezember 2010 verstorbenen Ehemannes. Durch dessen Tod endete das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber. - Nach § 26 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrages für den Öffentlichen Dienst (TVÖD) standen dem verstorbenen Ehegatten in jedem Jahr 30 Tage Urlaub zu. Des Weiteren wurde der verstorbene Ehegatte mit Wirkung vom 18. August 2010 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er hatte demnach für das Jahr 2010 auch noch einen anteiligen Zusatzurlaub von 2 Arbeitstagen. - Die Klägerin verlangte die Abgeltung des Resturlaubs von insgesamt 25 Arbeitstagen, die ihrem verstorbenen Gatten im Zeitpunkt seines Todes für das Jahr 2010 noch zustanden.

Das Bundesarbeitsgericht entschied: Endet das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers, so haben dessen Erben Anspruch auf Abgeltung des von dem Erblasser nicht genommenen Urlaubs.

Urlaub, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann, ist nach § 7 IV BUrlG abzugelten. Die nach dem europäische Unionsrecht gebotene Auslegung der §§ 1, 7 IV BUrlG ergebe, dass der Resturlaub auch dann abzugelten ist, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hatte bereits entschieden, dass der durch Artikel 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleistete Anspruch auf Zahlung des Mindestjahresurlaubs nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis untergehen dürfe, ohne dass ein Anspruch auf finanzielle Vergütung für diesen Urlaub besteht. Dieser Anspruch habe im Wege der Erbfolge auf die Erben überzugehen.

Daraus folge für die richtlinienkonforme Auslegung, dass dieser finanzielle Anspruch als Bestandteil des Vermögens Teil der Erbmasse wird. Der Abgeltungsanspruch der Erben umfasse dabei nicht nur den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub nach dem BUrlG vom 24 Werktagen, sondern auch den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen sowie den Anspruch auf Urlaub nach dem TVÖD, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteige.

Aus dem TVÖD ließe sich eine andere Auslegung nicht entnehmen.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 1/19, BAG Urteil vom 22. Januar 2019 (9 AZR 45/16)


Unternehmerische Freiheit vs. Religionsfreiheit
– Vorlage beim Europäischen Gerichtshof

Der Fall:

Die Klägerin ist als Verkaufsberaterin und Kassiererin in einem Unternehmen des Einzelhandels beschäftigt. Sie ist muslimischen Glaubens. Nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit trug die Klägerin – anders als zuvor – ein Kopftuch. Sie erfüllt damit ein islamisches Bedeckungsgebot, das sie als zwingend empfindet. Der Aufforderung der Beklagten, das Kopftuch am Arbeitsplatz abzulegen, kam die Klägerin nicht nach. Die Beklagte stützt sich auf eine für alle Verkaufsfilialen geltende Kleiderordnung. Nach ihr ist das Tragen auffälliger großflächiger religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Zeichen am Arbeitsplatz verboten.

Mit ihrer Klage will die Klägerin feststellen lassen, dass die Weisungen der Beklagten, das Kopftuch am Arbeitsplatz abzulegen, unwirksam sei, sie hierdurch wegen ihrer Religion diskriminiert werde. Die Beklagte beruft sich auf ihre unternehmerische Freiheit und den Schutz der negativen Religionsfreiheit ihrer Kunden und Arbeitnehmer.

Das Bundesarbeitsgericht hat den Fall dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es hat die Frage gestellt, ob die allgemeine Anordnung in der Privatwirtschaft, die auch das Tragen auffälliger religiöser Zeichen verbietet, aufgrund der von Artikel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) geschützten unternehmerischen Freiheit diskriminierungsrechtlich stets gerechtfertigt sei oder ob die Religionsfreiheit der Arbeitnehmerin berücksichtigt werden könne, die von der GRC, der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und dem Grundgesetz geschützt wird.

Quelle: Pressemitteilung 4/19 des Bundesarbeitsgerichts, Beschluss vom 20. Januar 2019, 10 AZR 299/18



Kein automatischer Verfall von Urlaubsansprüchen bei Beendigung des Urlaubsjahres – Aufklärungspflicht des Arbeitgebers

Der Anspruch eines Arbeitsnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erlischt nach einer neuen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 19. Februar 2019 (9 AZR 451/15) in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor über seinen noch bestehenden Urlaubsanspruch und die gesetzlich geregelten Verfallfristen belehrt hat. Nur dann, wenn der Arbeitnehmer trotz dieser Belehrungen den Urlaub aus freien Stücken (!) nicht genommen hat, verfällt er.

§ 7 III 1 BUrlG sieht vor, dass Urlaub, der bis zum Jahresende nicht gewährt und genommen wird, verfällt. Das galt nach der bisheriger Rechtsprechung selbst für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos aufgefordert hatte, ihm Urlaub zu gewähren. Nur unter bestimmten Voraussetzungen konnte der Arbeitnehmer nach der bisherigen Rechtsprechung einen Schadensersatz verlangen, der während des Arbeitsverhältnisses auf die Gewährung von Ersatzurlaub und nach dessen Beendigung auf die Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage gerichtet war.

Diese Rechtsprechung hat der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichtes nunmehr weiterentwickelt und damit Vorgaben des Gerichtshofes der Europäischen Union umgesetzt.

Nach § 7 I 1 BUrlG ist es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Diese Vorschrift zwingt den Arbeitgeber zwar nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Allerdings obliegt ihm unter Beachtung der sog. europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruches.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist der Arbeitgeber gehalten, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun“.

Der Arbeitgeber hat demnach klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraumes oder eines Übertragungszeitraumes verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt.

Daher kann nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ein Verfall von Urlaub in der Regel nur dann eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraumes erlischt.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 9/19 des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 19.02.2019, 9 AZR 541/15




 
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